Führung wird oft als Hochrisiko-Job wahrgenommen
Der Druck von oben, die Verantwortung für andere, das Jonglieren zwischen Zielen, Zahlen und Menschen – das Bild vom gehetzten Chef, der/die nachts wachliegt, gehört fest ins Bild moderner Arbeitswelten. Aber was wäre, wenn dieses Bild gar nicht stimmt? Was, wenn Führung in Wahrheit oft weniger stresst – aber dieser weniger Stress auf Kosten des Teams geht?
Weniger Cortisol, weniger Angst – aber nur „oben“
Eine vielbeachtete Studie von Sherman und Kolleg:innen zeigte schon 2012: Menschen in Leitungsfunktionen haben trotz der höheren Anforderungen und gestiegener Verantwortung im Schnitt weniger Stresshormone im Blut als ihre Mitarbeitenden – und fühlen sich auch seltener ängstlich als diese. Der Grund ist relativ einfach: Sie haben mehr Kontrolle über ihre Arbeit, mehr Gestaltungsspielraum, mehr Einfluss auf das, was passiert. Kontrolle gibt uns Sicherheit. Und Sicherheit entlastet. Soweit so gut – wäre da nicht der blinde Fleck…
Denn während es der Führungskraft gut geht (und eben weil es ihr gut geht!), übersieht sie leicht, dass das Team leidet: Wer selbst nicht gestresst ist, schließt von sich auf andere – und unterschätzt leicht die Belastung der anderen. Und das öffnet ungewollt Tür und Tor für Überforderung.
Die unsichtbare Last der anderen
Stress ist selten laut. Er zeigt sich nicht unbedingt in dramatischen Ausfällen, sondern eher in stiller Erschöpfung. In Überstunden, die „schon irgendwie gehen“. In Konflikten, die nicht mehr angesprochen werden, sondern erduldet werden.
Wenn Führungskräfte (so wie wahrscheinlich alle anderen Menschen auch) entspannt sind, entsteht oft ein Missverständnis: „Wenn es mir gut geht, geht es den anderen auch gut.“ Und genau das ist der Trugschluss!
Studien zeigen: Je mehr Macht und Kontrolle ein Mensch hat, desto weniger spürt er den Druck, der sich unter ihm zusammenbraut. Das führt zu Überforderungen, die unbemerkt bleiben – bis eben das Team lichterloh brennt. Denn was oben als „alles im grünen Bereich“ gilt, ist unten oft schon dunkelorange bis rot.
Gesunde Führung heißt: hinschauen, nicht wegschauen
Gesunde Führung schützt daher nicht nur sich selbst. Gute Führung schützt auch das Team! Und das bedeutet: nicht das eigene Gefühl als Maßstab nehmen, sondern sich wirklich interessieren. Wie geht es meinem Team? Wo wird’s eng? Was bleibt unausgesprochen?
Das heißt nicht, sich in jede Sorge einzuklinken oder jede Überlastung zu kompensieren. Es heißt: Fragen stellen. Hinhören. Raum geben. Nicht mit „alles okay?“ – sondern mit echtem Interesse. Mit Fragen, die Türen öffnen: „Was bräuchte es gerade, damit ihr gut arbeiten könnt?“
Der doppelte Preis des blinden Flecks
Wenn Führung ihren blinden Fleck nicht reflektiert, zahlt das Team doppelt: erst mit seiner Gesundheit. Dann mit seiner Motivation (oder umgekehrt). Die Folgen: mehr Krankentage, weniger Engagement, höhere Fluktuation. Und am Ende zahlt es auch die Führungskraft – weil sie es dann doch wieder richten muss. Nur eben später und mit mehr Aufwand.
Die Einladung
Wenn du in Führung bist, hier mein Impuls: Überprüfe deinen blinden Fleck. Nicht, weil ich glaube, dass du schuld bist. Sondern weil du es besser kannst als die da draußen . Gesunde Führung besteht nicht nur darin, sich selbst zu entlasten – sondern darin, gemeinsam tragfähige Wege zu bauen.
Wenn du dabei einen Sparringspartner suchst: Ich bin da, um mit dir zu sehen, was du (noch) nicht siehst.